Laminiert
Florian Staudenmaier

Laminierte Sammelkarten und Fotografie, 2021

Laminiert

Ich laufe zum Parkplatz, die Einkäufe im festen Griff meiner Umarmung.

Jeder Schritt könnte den Berg von Lebensmittel, mit dem „Joghurt mit der Ecke“ als Gipfelkreuz, zu Fall bringen.

Hat man den Eierlauf mit einem Jenga-Turm bis zum Auto geschafft, kommt schon die nächste unlösbare Aufgabe auf einen zu.

Meine Blicke fallen auf das Kennzeichen zwischen den beiden Rücklichter meines zugeschlossenen Smart foufours.
Ich spüre den Autoschlüssel in der rechten Hosentasche meiner Jeans.

Das Lockern meines Griffs würde den Stein des Chaos unmittelbar und unaufhaltbar ins Rollen bringen.

Dann doch lieber kurz absetzen, bevor man bloßgestellt auf dem Parkplatz inmitten eines Sees aus Wurst- und Gurkenwasser steht.

          Klicken des Autoschlosses

Die Einkäufe auf die Rückbank oder doch lieber in den Kofferraum?

Kofferraum.

Beim Einräumen befolge ich die „Sauhaufen-Taktik“.


Die Großen und Schweren nach unten, gefolgt mit den Kleinen und Zierlichen als Topping.


Mit etwas Schwung geht auch die Kofferraumtür ohne Probleme zu.


Reflexartig wird noch kurz nach der Uhrzeit auf dem Handy geschaut.

Immer noch 15 Minuten zu spät.

Meine Finger wandern an den Türgriff der Fahrertür, während meine Augen eine minimale Veränderung des sonst so gewohnten Blickfeldes wahrnehmen.


Schon wieder so eine scheiß Karte an meiner Scheibe.
Welcher Idiot verkauft sein Auto an eine Firma, die nicht einmal ihre Werbung ohne Schreibfehler oder verzerrte Bilder hinbekommt.
Auf den Boden damit oder doch ins Auto.


Natürlich muss das Ding laminiert sein.


Das kann ich jetzt nicht hier liegen lassen, die armen Schildkröten.


Dann eben doch ins Auto.


Der so langsam als Mülleimer umfunktionierte Getränkehalter sollte so langsam auch wieder geleert werden.


Aber nicht mehr heute, ich bin jetzt eh schon 15 Minuten…

          Digitales Uhr-Ticken

… 16 Minuten zu spät.

Ich starte den Motor meines Kleinwagens und manövriere ihn gekonnt zwischen egoistischen Omas, Rast suchenden Autos und über den Einkaufswagen gebeugten Kindern hindurch.

Beim Fahren denke ich erneut an das Kärtchen, welches nun ummantelt von Kaugummi-Papier und alten Kassenzetteln sein Weg in mein Auto gefunden hat.


Betrug oder doch ein seriöser Autohändler mit fehlenden Photoshop-Skills?

Betrug.

Ich sehe mein zu billig verkauftes Auto bereits mit einer MG auf dem Dach durch den nächsten Bürgerkrieg fahren oder mit teuer aussehenden Billigfelgen Frauen an der Straße anhupen.

Kinder freuen sich über die bunten Kärtchen.
Doch Kinder fahren kein Auto, und Erwachsene sammeln keinen bunt laminierten Abfall.

Falsche Zielgruppe.

Würde jedoch ein Mann mit Holzhammer und Schlips sie
versteigern oder ein französischer Mann mit Pornobalken und Baskenmütze seinen Namen darunter setzen, sähe die Sache schon anders aus.


Erwachsene würden alles sammeln, wenn man ihnen das Gefühl gibt dadurch etwas Besonderes zu sein.

Ich stelle mir die großen Kunstwerke unserer Zeit vor, eingeklemmt zwischen einer verschmierten Frontscheibe und einem porösen Scheibenwischergummi.


Ich schmunzle und sehe auch Sie zerknüllt in einer Ablage oder durch den Regen getränkt zu einem Teil des Asphalts werden.


Außerhalb ihres Schutzwalls Museum, gnadenlos mit dem 0815 Bürger konfrontiert.


Man sollte sie wenigstens laminieren.

Ich schaue auf die Uhr neben der Tankanzeige.

… 20 Minuten zu spät.

Erfurter Weg 3
Fatih Cimdiken

Performatives Video (4:12 min), 2021

Erfurter Weg 3

Es gibt so viele Erinnerungen. Manche sind real, manche sind surreal. Für diese Arbeit fragte ich mich selbst, was meine allererste Erinnerung ist. Irgendwie fiel es mir nicht schwer darüber nachzudenken, da ich schon sehr lange ein Bild vor meinen Augen habe, wovon ich fest davon überzeugt bin, dass es meine erste Erinnerung ist. Es ist das Bild, wie meine Mutter mich damals zum Kindergarten brachte. Ich muss da drei oder vier Jahre alt gewesen sein, so ganz genau weiß ich das nicht, aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass ich glaube, nein sogar ziemlich sicher weiß, dass es meine erste Erinnerung ist. Ich weiß nicht mal seit wann dieses Bild in mir ist, ich weiß nur, dass es für mich ein sehr schönes und bedeutendes Bild ist.

Ich sehe, wie ihre Hand meine umschließt und sie mich zum Kindergarten führt. Schauplatz ist der Erfurter Weg 3, die Straße meiner Erinnerung und auch genau die Straße wo sich der Kindergarten befindet. War es vielleicht mein allererster Tag im Kindergarten? Und deshalb meine allererste Erinnerung? So ganz genau weiß ich das nicht, aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass ich mich an diesen Moment erinnere. Ob das Bild, wie wir Händehaltend zum Kindergarten laufen, echt ist oder möglicherweise aus einer meiner Träume stammen könnte, selbst das weiß ich nicht, aber das ist auch nicht wichtig, da es nichts daran ändert, dass ich fest daran glaube, dass es meine erste Erinnerung ist.

Ich weiß nicht wieso, aber mit der Zeit, kam in mir der Wunsch auf dieses Bild der Erinnerung anders zu betrachten. Ich wollte nicht, dass meine Mutter und ich nur in meiner Erinnerung Hand in Hand zum Kindergarten laufen. Ich wollte diesen Moment wieder erleben, ihn festhalten und ihn wieder ansehen können. So liefen meine Mutter und ich wieder wie damals Hand in Hand von unserem damaligen Zuhause aus zum Erfurter Weg 3. Ich filmte unsere Hände, denn das war schließlich das, was ich in der Erinnerung sah. Mein Ziel, war es die Bilder, die in meinem Kopf existierten zu materialisieren. Zwar ist diese Reinszenierung nur ein Versuch diese Erinnerung zu kopieren oder möglicherweise sogar zu verfälschen, aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass ich mich erinnere.

Wir laufen draußen.
Hand in Hand.
Daran erinnere ich mich.

Brache
Johannes Ocker

Inkjet-Prints, je 24 x 30 cm, 2021

Mich hat die Frage bewegt, was die Bewohner der Stadt in ein kleines Stück Natur zieht, das ich beobachtet habe. was machen die da und wann? und wer sind die?

Das kleine Stück Natur ist eine brache Fläche von etwa 150 mal 150 Metern, sich selbst überlassen, gelegen mitten in der Vorstadt. Ehemals eine Papierfabrik, davor eine Munitionsfabrik. Das ist jetzt – habe ich herausgefunden – 20 Jahre her. Man sieht an manchen Stellen auch noch die Einschläge der Bomben aus dem zweiten Weltkrieg, erzählt mir Jemand, den ich dort bei meinen Rundgängen treffe. Jetzt sind hier Bäume über alles was war gewachsen, eigentlich sogar ein richtiger kleiner Wald. Durch die Krater der Bombeneinschläge führt ein Wegenetz auf und ab und kreuzt sich immer wieder selbst. Es geht durch dichte Akazien und durch Lichtungen mit jungen Birken.

An einigen Stellen finde ich, neben sehr viel Müll, Überreste von Konstruktionen; aus Holz, mit Dächern und Sitzmöbeln, daneben Steine zu einer Feuerstelle aufgetürmt. Eine der Konstruktionen ist ein riesiges Gebilde mit mehreren Ebenen und Leitern, bestimmt 10 Meter hoch und scheinbar noch gar nicht so alt. Einmal sehe ich, wie jemand mit einem Akkuschrauber Latten an das Gebilde schraubt, es wird also noch daran gebaut. Ich treffe vor allem Abends auf viele Menschen. Ich komme mir wie ein Förster vor, der seine Wildbestände kontrolliert. Das bringt mich auf eine Idee.

Ich beginne damit, eine Wildkamera an verschiedene Stellen in den Wald zu hängen. Diese löst mit einem Bewegungsmelder aus und nachts schaltet noch ein Infrarotblitz dazu, unsichtbar für Menschen und die meisten Tiere. Es ist gar nicht so leicht wie ich erst gedacht habe, die Kamera in Position zu bringen und gut zu verstecken. Ich gehe immer in der Dämmerung los verbringe viel Zeit damit, mein Versteck mit Ästen und Blättern, die ich mit dunkelgrünem Klebeband befestige, unsichtbar zu machen. Alle 2 oder 3 Tage schaue ich nach was ich „gefangen“ habe und suche eine neue Stelle, an der ich vermute, etwas beobachten zu können.

Die meisten Menschen die ich am Ende fotografiert habe waren mit ihrem Hund spazieren oder haben telefoniert, eine Person hat einen Handstand gemacht und einer hat Messer und Äxte auf einen Baumstumpf geworfen. Einige sind auch auf das Holzgestell geklettert. Und ein paar Tiere waren sogar da. Eigentlich hätte ich am liebsten etwas verrücktes dokumentiert, zum Beispiel dass jemand nachts nackt durch den Wald rennt oder ich, wie in Antonionis „Blow Up”, Zeuge eines Verbrechens werde oder dass Aliens landen und ein Wurmloch öffnen. Die Zeit im Waldstück hat mir gut getan, man kommt zu sich.

Seance
Einan Kaku

7 teilige Serie Fotografie, je 21 x 29,7 cm, Ton (4:44 Min. Loop), 2021

Seit Jahrhunderten herrscht Ruhe in europäischen Friedhöfen.

Vielleicht darf ich einen Klang erzeugen.

Respektvoll versuche ich, eine Verbindung zwischen mir und den Fremden, den Toten und den Lebenden zu erschaffen.

Ein Friedhof hat so viele unterschiedliche Materialien: Stein, Metall, Holz, Beton, Glas, Porzellan, Kunststoffe, Pflanzen und auch viel Unbekanntes. Eigentlich können alle Sachen unterschiedliche Töne von sich geben und dennoch ist es still dort, dort am Friedhof.

Schon immer habe ich mich für andere Dimensionen interessiert. Was kann hinter der visuellen Ebene stecken? Hört man auch von tief unter der Erde? Durch meine Aktion erhoffe ich, eine klangliche Dimension zu erzeuge. Sodass eine Lebendigkeit im Friedhof entsteht: Hallo? Hallo! Wie geht’s?

Szenen im Park
Anthony Wahl

Video mit Stereo Sound (10:00 Minuten), Auflösung 640  × 480, 2021

Die Beschreibung des Bühnenbildes

In der unteren Hälfte des Bildes sieht man das kurze Gras der Wiese und das unter den Bäumen liegende Laub. Die Kontrastlinie der Wiese wölbt sich zu beiden Bildrändern hin leicht nach oben. Das Grün der Wiese wirkt nach hinten hin stärker gesättigt, im Vordergrund der Wiese sieht man auch hellbraunes oder sandfarbenes, trockenes Gras zwischen dem frischen, grünen Gras. In der oberen Hälfte des Bildes sind die Bäume und der Himmel zu sehen. Der Himmel ist graublau und hell, aber trüb. Auf der linken Seite des Bildes ähnelt der Himmel einem Dreieck. Die Laubbäume tragen rotbraune Blätter, an vielen Stellen sind die Äste kahl. Eine Baumgruppe aus alten und großen Laubbäumen befindet sich links von der Bildmitte. Aus dem gemeinsamen Umriss der Baumkronen bildet sich eine einer Kuppel ähnelnde Form. Ihr höchster Punkt liegt in der linken Bildhälfte und berührt beinahe den oberen Bildrand. Der linke Rand der Kuppel reicht nicht ganz bis zum linken Bildrand, der rechte Rand der Kuppel liegt relativ mittig, auf der rechten oberen Bildhälfte. Der Umriss der Kuppel geht an beiden Seiten in die Horizontlinie über, welche sich aus den verschmolzenen Umrissen der Laubbäume im Hintergrund zusammensetzt. Die Horizontlinie bricht zwischen dem rechten Bildrand und der Bildmitte mit dem Umriss eines Laubbaumes ab und nähert sich der Kontrastlinie der Wiese, wird von dem Umriss einer Gruppe weiter im Hintergrund stehenden Nadelbäume jedoch wieder aufgefangen. Die Horizontlinie wird durch die spitzen Kronen der Nadelbäume im Zickzack weitergeführt und verlässt den rechten Bildrand hinter zwei dünnen und jungen, weiter im Vordergrund liegenden und zwei großen und alten Laubbäumen. Die zwei kleinen Bäume befinden sich näher am rechten Bildrand als an der Bildmitte. Sie sind ungefähr gleich groß und nur wenige Meter voneinander entfernt, einer der Kamera näher als der andere. Das Geäst von einem der großen Laubbäume wird vom dem des anderen Baumes überlagert, so dass die Äste nicht mehr klar dem einen oder dem anderen Baum zuzuordnen sind. Zusammen mit den beiden kleinen Bäumen füllen sie die Ecke des rechten oberen Bildraums. Der untere Teil des Stammes des näher zur Kamera stehenden, alten Baumes ist im Gegensatz zum Stamm des weiter hinten stehenden Baumes nicht im Bild zu sehen. Ein großer Ast, der aus dem rechten Bildrand in den Bildraum ragt, ist alles was man von dem Baum sieht. Fast im rechten Winkel zur Seite ausgewachsen, verläuft der Ast annähernd parallel zu den Linien des rechten und des oberen Bildrandes. Nach dem Knick zeigt der Ast nahezu horizontal nach links, nur leicht nach oben geneigt. Die Form des Astes gleicht dem rechten Winkel der Ecke. Er berührt den oberen Bildrand kaum, nur ein paar kleine Triebe verlassen den Bildraum, ungefähr auf der Höhe des Einbruchs der Horizontlinie zwischen den Laubbäumen und den Nadelbäumen. Aus der Perspektive des Betrachters werden die Baumkronen der zwei kleinen Laubbäume auf der rechten und auf der oberen Seite vom angewinkelten Ast des großen Baumes umarmt. Das gefallene Laub der Baumgruppe der rechten Bildhälfte reicht fast bis zum Bildmittelpunkt, wobei das Laub von rechts nach links deutlich an Dichte verliert und sich auf der Bildfläche zuspitzt. In der rechten Bildhälfte, zwischen dem gefallenen Laub der rechten Baumgruppe und der Baumgruppe links so wie vor den am weitesten hinten liegenden Bäumen erkennt man einen freien Streifen Wiese. Die zwei kleinen Bäume auf der rechten Bildhälfte schneiden zusammen mit den beiden Kontrastlinien oberhalb und unterhalb dieses Abschnitts der Wiese ein kleines, grünes Quadrat aus der Fläche. In der Nähe des linken und rechten Bildrands und zwischen dem Geäst der großen Baumgruppe mit der Kuppel, direkt über der Wiese, sind ein paar grüne Blätter an den Laubbäumen zu finden. Die restlichen Blätter sind vorwiegend rötlich braun bis rostrot, vereinzelt auch braungrün. Die Nadelbäume im Hintergrund sind dunkelgrün und leicht bläulich. Die nur schwer erkennbaren und nicht ganz so hohen Laubbäume vor den Nadelbäumen sind heller und eher gelblich grün.

Beerdigung der Flammenschlampe
Carl Breisig

Performance, Video, 2022

Die Trauerfeier wird im Freien stattfinden mit anschließender Beisetzung. Die Inszenierung der Person geht in die Inszenierung der Beerdigung über und der Kunstfigur wird ihre letzte Ehre erwiesen.

„Ikonen müssen früh sterben, damit sie rechtzeitig wiedergeboren werden.“

Unser Zimmer
Yeo Jin Ahn

Perfomatives Video ( 5:29 min), 2021-

Unser Zimmer

Staub ist ein kleines, leichtes Partikel, das in der Luft schwebt oder durch Bruch oder Abscheidung eines Objekts entsteht. Staub tritt überall auf, einschließlich im Freien und im Inneren, tritt überall auf, wo Luft fließt und wird durch unseren Körper und Luftstrom, der sich im Raum bewegt, gemischt und gehäuft. Staub besteht aus Dingen, die entweder in der Natur oder von Menschen gemacht wurden. Etwa 14.000 Tonnen Staub von Kometen und Meteoriten fallen pro Jahr auf die Erde und nur ein Drittel des Staubes, der sich um die Erde herum bewegt, kommt auf die Erde. Im Boden und in Gletschern gibt es lange gesammelte natürliche und menschliche Spuren von Staub.

An allen Orten wie Bauten und Asphaltstraßen, im Markt und Büros, kleine Faserstücke aus Kleidung oder Decken, Hautschuppen, Tierhaare und Staub, der von außen kommt, formen und sammeln Klumpen. Der Mensch ersetzt alle Haut innerhalb von vier bis fünf Wochen und kleine Stücke der toten Haut fallen vom Körper und werden in Form von Staub überall im Haus angehäuft. Die verstorbene Haut und der Staub, der von außen kommt, bilden eine Mischung aus Hausstaub. Wenn wir rausgehen, klebt der Staub an unserem Körper oder an unseren Kleidern. Der driftende Staub in der Luft ist so klein, dass er kaum sichtbar ist und tritt auch durch die Atmungsorgane in unseren Körper hinein.

Wir leben in einer Geschichte, die mit Staub bedeckt, mit der Natur, der Gesellschaft und der Welt eng verbunden ist. Staub zeigt Spuren von Ereignissen und Situationen, unser Verhalten, die Verwendung von Gegenständen. Unser Leben, unsere Beziehungen, unser Herz und unsere Emotionen schaffen Verhalten, wirken in der physischen Welt und erzeugen Staub. Er ist ein Beweis der Existenz und des Daseins, der unsere Identiät und die Identität des Raumes empfindlich und umfassend beschreibt, als einen Ort ist, der unendlich viele Informationen enthält. Wir können uns vorstellen, dass die Farbe und Textur der Staubpartikel je nach der Epoche der Geschichte unterschiedlich sind.
Staub beweist unsere körperliche Aktivität, unser Verhalten, Essen, sogar unseren Geschmack, Geist oder das Innere. Staub erklärt den Lebenszyklus, in dem Dinge von außen nach innen und Dingen von innen wieder nach außen kommen.

Unsere Augen können die Zusammensetzungen und Formen des Staubes nicht alle genau unterscheiden und begreifen, genau deshalb denke ich, dass Staub die größte Skulptur ist, die ich kenne, weil sie das Leben in Raum und Zeit beweist. Staub ist eine lebende, partizipatorische Skulptur an der alles Lebende mitwirkt in der sichtbare und unsichtbare Dinge, Zeit und Raum funktionieren. Wir kreieren, schaffen in jeder Minute. Wir können uns ein Individuum durch ein Klumpen von Staub vorstellen, aber wir können auch die Geschichte und das Leben der Menschen beobachten, die gleichzeitig leben, in einer Mitwelt. Staub zeigt auch unsere Ähnlichkeiten und Unterschiede.

Wir treffen uns ständig im privaten und öffentlichen Raum. Im Staub stehen die Innen- und Außenräume, Individualität und Öffentlichkeit miteinander im Einklang. Staub erinnert uns daran, dass wir in einer Welt leben, in der materielle und nicht-materielle Dingen aufeinander wirken. Durch den Staub, ein Stück, in dem Nicht Materie und Materie miteinander arbeiten, bin ich wieder einmal in das Leben verliebt.

Urban Patch
Amba Luna

Hybrid zwischen Dokumentation einer temporären Skulptur im öffentlichen Raum und eigenständiger Fotoarbeit (je 60x 90 cm), 2021

Die Fotoreihe „Urban Patch“ entstand im Rahmen einer Intervention im öffentlichen Raum und versteht sich als Hybrid zwischen Dokumentation einer temporären Skulptur und eigenständiger Fotoarbeit.

Drei S/W-Fotografien zeigen Lücken, Abnutzungen und Beschädigungen der Straßendecke, die passgenau mit Luftpolsterfolie gefüllt wurden. Für einen Augenblick scheint die Oberfläche geflickt, doch die Verbindung ist nur temporär.

In der Zweidimensionalität der Fotografie verschmelzen die Materialien so nahtlos miteinander, wie sich der Patch als temporäre Skulptur in die Lücke schmiegt. Die Materialität der Luftpolsterfolie spielt hier nicht nur eine wichtige Rolle hinsichtlich ihrer ästhetischen und visuellen Qualität, sondern auch in Bezug auf den Kontext, in dem sie normalerweise zirkuliert: Sie bewahrt Kunstgegenstände davor, beim Transport von A nach B beschädigt zu werden.

Der Fokus richtet sich hier auf den Weg selbst, die Straße zwischen A und B und die Fragilität des Materials selbst. Die Schützende Folie kommt hier zu spät. Der Boden ist bereits aufgebrochen und auch ein Patch in passender Größe kann die Lücke nur auf dysfunktionale Weise reparieren.

Einzig die Fotografie vermag es, das massive Material und die von einem Windhauch bewegbare Folie dauerhaft im Bild miteinander zu verbinden.

Wo entlang?
Paula Laible

temporäre Installation im öffentlichen Raum, Isolierband, 3 digitale Fotografien, je 40cm x 60cm, 2021

Wo entlang?

Ein Weg, den ich täglich gehe, führt über eine Treppe. Die meisten Leute nutzen sie nur als Abkürzung in eine Richtung: bergab. Bergauf nehmen viele den schwellenlosen Weg außen herum.

Ein Hindernis teilt den unteren Teil der Treppe in der Mitte. Fußgängerinnen und Fußgänger können entweder rechts oder links davon vorbeilaufen. Ich selbst laufe immer auf der gleichen Seite, ohne dass ich es erklären kann. Einigen Menschen, die ich befragt habe, geht es ähnlich. Manche halten sich stets rechts, andere wählen immer die Seite des Mülleimers.

Bestimmte Leute müssen abwechseln, damit beide Seiten gleich oft benutzt werden und es ausgeglichen ist.

Ich beobachtete ein älteres Paar. Sie liefen von unten an die Treppe heran, auf das Hindernis zu. Vor den ersten Stufen trennten sie sich und der Mann ging links, die Frau rechts vorbei.
Hinter dem Hindernis trafen sie sich, um die restlichen Stufen händehaltend gemeinsam zu laufen.

Wie entscheiden wir wo wir entlanglaufen? Ein Großteil der Leute geht aufgrund unserer Verkehrsordnung meistens auf der rechten Seite. Manche laufen dank ihrer Gewohnheiten stets den gleichen Weg, andere brauchen die Abwechslung verschiedener Wegeführungen.

Die meisten von uns sind sich dieser Entscheidungen kaum bewusst. Mir stellte sich nach Beobachtungen an dieser Treppe und nach Gesprächen die Frage, wie ich dieser Entscheidung mehr Bedeutung geben kann und wie ich sie sogar beeinflussen könnte. In Zeiten der Corona-Pandemie haben sich neue Sehgewohnheiten entwickelt. Bodenmarkierungen erhielten eine neue prominente Bedeutung.

Mithilfe von Klebeband entstanden Linien auf dem Boden. Verschiedene Ausführungen signalisierten Grenzen, Verbindungen und Trennungen oder Teilungen des Weges.

So wurde der Ort durch eine grafische Veränderung neu definiert und ich beobachtete inwiefern Gewohnheiten dadurch beeinflusst wurden. Welche Faktoren lassen uns entscheiden „wo entlang“ wir gehen?

Die Intervention wurde fotografisch dokumentiert.

Intra Muros
Laura Seyferle

Videostreaming im öffentlichen Raum, 2021

Wenn ich nach draußen gehe, dann verlasse ich die Räume, in welchen ich meine eigene Ordnung anwenden kann.

Das absolute „Draussen“ finde ich dort vor, wo ein Chaos aus unzähligen, individuellen Ordnungen herrscht, sodass es eine kollektive Ordnung geben muss, die ordnet. Ich unterwerfe mich dieser und unterdrücke meine eigene Ordnung. Aber weg ist sie nie. Meine Ordnung ist mein Schutz, meine Kontrolle, meine Geborgenheit, meine Intimität und meine Vertrautheit.

Das „Draussen“ aber stellt mir Chaos entgegen. Draußen vermischen sich die kollektive Ordnung mit den individuellen, fremden Ordnungen. Daraus entsteht Zufall. Aus Zufall entsteht das Unberechenbare. Chaos, Fremdes, Zufall und das Unberechenbare bedeuten Anstrengung für meine eigene Ordnung. Sie können meine Ordnung auch zerstören. Sie wird vor allem bereichert.

Wenn ich von Draußen nach Drinnen gehe, dann muss mich neu ordnen.

Draußen und Drinnen bilden ein Kontinuum. Draußen und Drinnen sind Gegensätze.

Kunst im Kreisverkehr 1 (Mannheim)
Kai Fischer

Video (48 min), 2021

“Der Kreisverkehr ist ein negierter White Cube; ein Unort künstlerischer Reflexion. Im Auto fährt man entweder in Eile an dessen Kunstwerk vorbei, oder wird als Fußgänger bei der Rezeption vom Verkehr beeinträchtigt.

Das Video ist die Dokumentation der Performance via Bildschirmaufnahme mit dem Handy des Performers. Dieser fuhr mit einem ausgeliehenen E-Scooter im Kreisverkehr bis dessen Akku leer war.

Doch was genau ist das nun für eine Arbeit und deren Intention?

Ist es eine:

– Performance?
– Digitale Performance?
– Zeichnung?
– Loblied auf die Spaßgesellschaft?
– Plädoyer für Inneffektivität?
– Metapher für die Unsichtbarkeit des Künstlers?
– Abgesang an bürgerliche Vorstellungen von Kunst?

Erschöpft sich die Idee von Unabhängigkeit, Mobilität und Freiheit imHamsterrad?”

Giovanni Pescatore, Kunstkritiker und Motorsportler

Gesprächsfetzen
Melissa Cagatay

Video (1:02 Minuten), 2021

Ein kleiner Platz mit zwei sich gegenüber stehenden Bänken. Ein Ort, um kurz zu verweilen. Passanten laufen vorbei, telefonieren oder unterhalten sich in der Gruppe.

Für 3 Sekunden sind sie in meinem Hörradius und nehme Wörter und Satzfragmente auf.

Intime Gespräche an einem öffentlichen Ort, ohne Zusammenhang und Sinn für den Betrachter.

Die Fantasie erzählt die Gesichte der Passenten weiter.